Zum Gebrauch von »schlimmen« Wörter in den Übersetzungen

Zum Gebrauch von »schlimmen« Wörter in den Übersetzungen

Jetzt bin ich doch nicht am ADHS-Buch geblieben, sondern mir kam ein Gedanke zu den bisher schon erledigten Übersetzungen in den Sinn (nämlich statt der üblichen „…“-Anführungszeichen die klassischen Buchdruckzeichen »…« zu verwenden), also bin ich zu den Übersetzungen zurück und habe dort weitergearbeitet.

Dabei ist mir auch aufgefallen, dass es in den englischen Originaltexten (die ja mehr als 100 Jahre alt sind, die teilweise sogar vor rund 150 Jahren entstanden sind) einige „schlimme“ Wörter gibt. Unsere Gesellschaft und auch unsere Sprache hat sich in den letzten 150 Jahren nun einmal verändert. Das Wort „Neger“ beispielsweise wird nur noch verschämt als „N-Wort“ bezeichnet. Es ist aber einem der heute bearbeiteten Texte vorgekommen. Natürlich werde ich versuchen, das möglichst menschenfreundlich einzudeutschen, aber N-Wort oder das neuerdings gebrauchte BiPOC ist in einem alten Text nicht passend, das ist dann doch zu a-historisch. Ich will jetzt auch keine Diskussion anfangen, dass das Wort „Neger“ hier in Deutschland auch als Nachname vorkommt (man denke an Ernst Neger) oder dass es im nordrhein-westfälischen Olpe einen Stadtteil mit diesem Namen gibt. Stattdessen werde ich einfach schauen, welches Wort stattdessen an dieser Stelle im Kontext passen könnte.

Noch schwieriger verhält es sich mit dem Wort Zigeuner. Auch das soll man heute nicht mehr verwenden, stattdessen soll man Sinti und Roma sagen oder wenn es um eine Frau geht, dann Sintizza und Romni. Nun ist es jedoch so, dass nicht jeder, den man früher als Zigeuner bezeichnet hätte, immer ein Angehöriger dieser ethnischen Gruppe sein muss. Es gibt auch noch Lovara oder Manouches und vor allem auch in Irland und England gab es noch ganz andere Traveller, die mit diesen ethnischen Gruppen nichts zu tun haben. Also wie kann in der Übersetzung jemand einfach als zugehörig zu den Sinti und Roma erklärt werden, wenn der Autor oder die Autorin vielleicht andere Vertreter eines fahrenden Volkes im Sinn hatte.

Wenn es also in einem mehr als 100 Jahre alten Märchen um „The Gypsy’s Cup“ geht und dieser Begriff in der damaligen Zeit üblich war, wie sollte man diesen Begriff übersetzen, damit es korrekt ist?

Im englischen Originaltext ist fast 100 Mal (ja, ich habe das tatsächlich durchgezählt) von »gipsy« die Rede, entweder geht es um die Frau (gipsy woman), um ihren Mann (gipsy man), den Jungen (gipsy boy) oder auch um ein Lager (gipsy’s camp). Für die Übersetzung ist es jedoch schwierig, diesen Bezug komplett unter den Tisch fallen zu lassen, ohne dass der Sinngehalt verloren geht und das Märchen völlig verfälscht würde.

Welches Wort könnte aber den heute als diskriminierend empfundenen Begriff ersetzen? Sinti und Roma passt einfach nicht richtig, denn da stellt sich die Frage, zu welcher Volksgruppe denn die im Märchen genannten Personen gehören. Sind es Sinti? Sind es Roma? Oder sind es womöglich weder Sinti noch Roma, weil es andere Fahrende sind wie zum Beispiel Lakerten oder Pavees? Welcher Gruppe sollen die Figuren im Märchen denn angehören?

Hinzu kommt auch, dass die Rolle der Frau und des Jungen in diesem Märchen ja durchaus positiv besetzt sind, der Begriff „Zigeuner“ wird bei diesen beiden Personen nicht abwertend gebraucht, sondern als Hinweis auf die nicht-seßhafte Lebensweise. Zwar wird der Ehemann sehr negativ geschildert, aber das ist auch dramaturgisch notwendig, denn er hat ja die Rolle des Gegenspielers.

Über diese Frage habe ich mir lange Gedanken gemacht und nach langem Hin und Her soll es in diesem Märchen von Mary De Morgan nun so gehandhabt werden, dass die Frau, die man erst als Mädchen mit Zauberkräften kennenlernt und später als sterbenskranke Frau mit ihrem Kind wiedertrifft, durchaus mit dem Begriff verknüpft ist, da ihre Rolle auch nicht negativ beschrieben ist – im Gegenteil, die Frau und ihr Junge helfen oder retten ja die Familie vor dem bösen Gegenspieler. Der Mann und Vater, der klar die Rolle des Bösewichtes besetzt, wird jedoch nicht wie im Original als Zigeuner bezeichnet, sondern nur als „Mann der Zigeunerin“ – der ethnische Hintergrund des Mannes bleibt damit völlig außen vor, er könnte theoretisch ja auch ein Schotte oder Däne sein.

Kurz und gut: Auch wenn jetzt in der Übersetzung der Begriff „Zigeuner“ genutzt wird, so ist das deutlich weniger oft als im Original und es geschieht auch garantiert nicht in diskriminierender Absicht!

Jetzt als Erster diesen Beitrag teilen!

Neueste Beiträge


  • Welt-ADHS-Tag
    Huch, mir war gar nicht bewusst, dass es einen Welt-ADHS-Tag gibt … der ist heute und darauf aufmerksam wurde ich durch dieses Interview hier: https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/internationaler-adhs-tag-erwachsene-symptome-behandlung-100.html
  • Habe mich (mal wieder) verzettelt
    Es ist irgendwie wie verhext. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass ich mit viel Schwung und Energie an ein Projekt gehe, dann kommen aber andere Anforderungen zwischenrein, also bleibt das Projekt liegen, dann kümmere ich mich noch um etwas anderes und bis ich dann wieder Zeit habe… Habe mich (mal wieder) verzettelt weiterlesen
  • Frisch übersetzt: „Furmicheinheit“
    In den letzten Monaten habe ich nur wenig hier oder auf meinen Social-Media-Kanälen geschrieben. Dennoch war ich nicht untätig, im Gegenteil: Ich hatte mit neuen Buchprojekten angefangen und war (wie üblich) munter am Verzetteln, habe bis zum Spätherbst auch viel im Garten gearbeitet, habe in der Vorweihnachtszeit fleißig gebacken und… Frisch übersetzt: „Furmicheinheit“ weiterlesen
  • ADHS: Neurofeedback gibt’s wo?
    In einem der vorigen Artikel habe ich erzählt, wie hilfreich Neurofeedback für mich und mein Kind ist. Aus diesem Grund möchte ich mal eine Liste anfangen (ob ich sie je fertigstelle, steht auf einem anderen Blatt) mit Adressen von Praxen für Ergotherapie, Psychotherapie und ähnliche Fachgebieten, die Neurofeedback anbieten (was… ADHS: Neurofeedback gibt’s wo? weiterlesen
  • ADHS und Neurofeedback
    Wie im Buch beschrieben haben sowohl mein Kind als auch ich die gängigen ADHS-Medikamente nicht unbedingt gut vertragen. Meine Tochter hat jetzt nach einigen Irrwegen ein Präparat, das sie an wichtigen Tagen in der Schule (Hausaufgabenüberprüfung oder Klassenarbeiten) nehmen kann. Ich nehme etwas, das mir etwas hilft, aber nur etwas, denn ich verzettele mich trotzdem noch. In einer höheren Dosierung wirkt es aber gegenteilig, da tut es mir nicht mehr gut. Also haben wir letztes Jahr mit Neurofeedback angefangen. Und: diese Therapie scheint zu helfen. Für meine Tochter habe ich die Rückmeldung bekommen, dass ihre Hirnwellen inzwischen deutlich besser geworden sind. Abgesehen von den objektiven Messungen habe ich auch subjektiv den Eindruck, dass sie langsam ein wenig besser organisiert ist.
  • Artikel in WELT über ADHS
    Heute in der WELT einen Artikel über ADHS entdeckt, habe mich sehr gefreut, aber am Ende gab es nicht viel an Neuigkeiten, nur so das übliche, hier eine kurze Zusammenfassung: Am Beispiel eines Mitarbeiters mit ADHS wird geschildert, dass ihm das Konzentrieren und Strukturieren schwer fällt, dass er seinen Arbeitsalltag… Artikel in WELT über ADHS weiterlesen
  • Zwei neue Bücher in Vorbereitung
    Mein Hirn rennt wirklich wie im Hamsterrad: Kaum waren die ersten Bücher endlich fertig fürs Publizieren, ging es an das Ausarbeiten der nächsten Ideen. Zuerst wollte ich Märchen schreiben für Kinder mit und ohne ADHS und mir waren schon die ersten zwei Ideen für märchenhafte Geschichten in den Sinn gekommen.… Zwei neue Bücher in Vorbereitung weiterlesen
  • Vier Bücher frisch publiziert
    Lange genug hat es gedauert, bis die ersten vier Bücher publiziert worden sind. Nun ist mein ADHS-Buch plus noch die drei Märchenbücher von Mary De Morgan endlich bestellbar, hier eine kleine Übersicht über die Titel und die ISBN: Und das Hirn wirbelt immer weiter wie im Hamsterrad.Wie man als Mutter… Vier Bücher frisch publiziert weiterlesen
  • Jetzt endlich: Bücher bald lieferbar
    An meinem ADHS-Buch habe ich die letzten zwei Wochen noch sehr viel gearbeitet, vor allem habe ich am Buchsatz noch einige Änderungen vorgenommen, einige Illustrationen noch eingefügt, was dazu führte, dass sich Seitenumbrüche und teilweise auch Zeilenumbrüche geändert haben, was wiederum dazu führte, dass Trennstriche oder andere Elemente nicht mehr… Jetzt endlich: Bücher bald lieferbar weiterlesen
  • Erste Bücher bald lieferbar
    In den letzten Wochen wollte ich eigentlich zuerst am ADHS-Buch arbeiten, aber dann kamen immer wieder Impulse zu den Übersetzungen, daher habe ich mal hier und mal da weitergearbeitet. Nun sind die ersten Übersetzungen von Mary De Morgan doch schneller fertig geworden als das ADHS-Buch, die Übersetzungen werden im Lauf… Erste Bücher bald lieferbar weiterlesen
  • Zum Gebrauch von »schlimmen« Wörter in den Übersetzungen
    Jetzt bin ich doch nicht am ADHS-Buch geblieben, sondern mir kam ein Gedanke zu den bisher schon erledigten Übersetzungen in den Sinn (nämlich statt der üblichen „…“-Anführungszeichen die klassischen Buchdruckzeichen »…« zu verwenden), also bin ich zu den Übersetzungen zurück und habe dort weitergearbeitet. Dabei ist mir auch aufgefallen, dass… Zum Gebrauch von »schlimmen« Wörter in den Übersetzungen weiterlesen
  • Gibt es Haustiere mit ADHS?
    Ursprünglich wollte ich im Buch auch noch einen Abschnitt über Haustiere bzw. Hunde mit ADHS ergänzen. Aber jetzt bei der Fertigstellung des Buches denke ich, das passt thematisch nirgendwo richtig rein, also habe ich es im Buch wieder entfernt und werde es jetzt einfach hier einstellen: Es gibt Diskussionen darüber,… Gibt es Haustiere mit ADHS? weiterlesen
  • Die letzten Abschnitte des ADHS-Buchs
    Nun sind es nur noch wenige Abschnitte – nämlich die Tipps für Beziehungen und die Tipps für die eigenen Ressourcen – aber auf den letzten Metern scheine ich mich wieder zu verzetteln. Allerdings gab es in der letzten Woche noch andere Termine, so dass ich nicht ganz so kontinuierlich weiterarbeiten konnte wie… Die letzten Abschnitte des ADHS-Buchs weiterlesen
  • Auf der Zielgeraden
    Die letzten Wochen ging es teilweise sehr zäh mit dem ADHS-Buch voran, auch weil ich mehrfach die Struktur und die Kapiteleinteilung nochmal verändert habe. Das lag vor allem daran, dass es plötzlich viel zu viele Inhalte im Einführungsteil gab, ungefähr die sechs- oder siebenfache Seitenanzahl des nächsten Teils mit Diagnose… Auf der Zielgeraden weiterlesen
  • Das typische Verzetteln
    Im Januar 2024 habe ich den Plan gefasst, ein Buch über meine ADHS-Geschichte zu schreiben. Immerhin hatte ich zu diesem Zeitpunkt mehrere Monate meine Diagnose (endlich!) und angefangen, mich intensiv mit diesem jahrelangen Chaos im Kopf zu beschäftigen, das mich einerseits sehr produktiv sein lässt, andererseits mein Hirn so herumrasen… Das typische Verzetteln weiterlesen